Jazzthetik

Von Franz X.A. Zipperer
Christoph Müller beschäftigt sich schon einiger Zeit im stillen Kämmerlein mit Fingerpicking,
dieser Gitarrenspieltechnik, bei der die einzelnen Saiten mit Zeige-, Mittel-und Ringfinger der Anschlaghand gezupft werden.
Zunächst erarbeitet er mit dem Percussionisten Bernhard Pricha ein Duoprogramm.
„Doch dann spielten Larkin Poe im Münchner Club Ampere, und ich verfiel der Stimme von Rebecca Lovell“, blickt Müller zurück, „einer Americana-Stimme irgendwo zwischen der Liedpoesie von Joan Baez und einer Brise Rickie Lee Jones.“
Der Gitarrist nimmt Kontakt auf und lotet die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit aus.
Das Interesse von Rebecca Lovell an Christoph Müllers Kompositionen ist schnell geweckt,
allein es fehlt die Zeit, gemeinsam ins Studio zu gehen.
„Doch für solche Fälle gibt es ja den virtuellen Proberaum“, sagt er. „Klangdateien wurden so lange
hin-und hergeschickt, immer wieder bearbeitet und ergänzt, bis am Ende ein fertiges Lied stand.“
Zu den gemeinsamen Werken zählen das Titelstück 'Home' und 'Lilac Wine'.
Auch Hoagy Carmichaels und Stuart Gorrells 'Georgia on My Mind' leiht Rebeca Lovell ihre anrührend klare Stimme.
Auf 'Home' und 'Reso' packt sie auch noch die Mandoline aus.
Um sein fantasievolles Fingerpicking in atmosphärischen Melodien so richtig zum Leuchten bringen zu können, versichert sich Christoph Müller der Mitarbeit seines Duopartners Bernhard Pricha, des Schlagzeugers Manfred Mildenberger, der Bassisten Sebastian Gieck, Rene Haderer und Ludwig Klöckner.
Auch Martina Eisenreich ist mit von der Partie.
„Manchmal wusste ich einfach nicht, welchen Weg ein Stück einschlagen sollte. Beide vorhandenen Möglichkeiten hätten zum Ziel geführt“, bekennt Christoph Müller, „doch die direkte, die pure, die schnörkellose war immer die berührendste.
Martina Eisenreich hat mir sehr geholfen, die entsprechenden ästhetischen Entscheidungen richtig zu treffen.“
Zum komponieren braucht Müller absolute Ruhe. „Ich kann nur Schreiben, wenn die Tür zu und das Handy aus ist“, lässt er auf den Schaffensprozess blicken. „Ich trage die Klänge meiner späteren Stücke alle in mir. Ich brauche diese Ruhe, um meinen inwendigen Klangideen ausgiebig lauschen zu können.“ Wenn die Ideen schließlich in einem Stück ihren endgültigen Ausdruck gefunden haben, fügen sie sich zu einem einfühlsamen Klangbett von beeindruckender Musikalität, in dem die Emotion nie nur gespielt oder aufgesetzt klingt.
Was der energetischen Wirkung der Stücke von Christoph Müller sehr entgegen kommt, ist die Tatsache, das er sie sehr einfach hält und damit auch eine Geschwätzigkeit vermeidet, die vielen Gitarristen eigen ist. Der Münchener kennt Pausen und Raum und nutzt sie als Gestaltungsmittel.
„Manchem Lied steht eine Pause an der richtigen Stelle eben besser als zehn Hochgeschwindigkeitsakkorde“, weiß er. Auch wird an seinen Stücken nicht ständig geschnitten,
geschnipselt oder zurechtgerückt.
Ein großer, weitgreifender Melodiebogen darf auch ein solcher sein.
Christoph Müller liebt zudem die musikalische Bandbreite und die klangliche und rhythmische Vielseitigkeit am Instrument. Er braucht keine lärmenden, überlauten Noten, um gehört zu werden.
Fingerfertig zupft er feinfühlig eher die leisen und gedämpften Töne. Die Platte heißt nicht grundlos 'Home'. Für den Saiten-Reisenden Christoph Müller ist der Aufbruchs-und der Sehnsuchtsort gleichermaßen. Zwischendrin verlässt er die ausgetretenen Pfade der Gitarrenmusik, erkundet neues Terrain und beweist gerade dabei seine Klasse am Instrument.
Aktuelle CD:
Christoph Müller: 'Home' (GLM Records)
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